Die deutsche Schule in Böblingen

Die Ausführungen basieren auf der 1971 veröffentlichten Untersuchung von Felix Burkhardt über das Schulwesen im Landkreis Böblingen.

Die württembergischen Volksschulen (Vorgänger der heutigen Grund- und Hauptschulen) hatten ihren Ursprung im 16. Jahrhundert, denn 1534 wurde die Reformation in Württemberg eingeführt. Nach der neuen protestantischen Lehre sollte jeder Gläubige imstande sein, die Bibel zu verstehen. Dazu musste man lesen können und so förderten die protestantischen Territorien wie Württemberg energisch das Schulwesen. Neben der flächendeckenden Einrichtung von Lateinschulen (den Vorgängern des heutigen Gymnasiums) verfügte die Große Kirchenordnung von 1559 im Herzogtum Württemberg auch die flächendeckende Einführung der Volksschulen. Diese wurden wegen ihres rein deutschsprachigen Unterrichts im Gegensatz zur Lateinschule im damaligen Sprachgebrauch "deutsche Schulen" genannt.

Die Große Kirchenordnung

Der Unterricht wurde damals im Grunde als ein erweiterter Religionsunterricht betrachtet und war deshalb Aufgabe der Kirche, sprich des Ortspfarrers. Da der Pfarrer viele andere Aufgaben hatte, bekam in der Regel der Mesner (Kirchendiener) die Aufgabe des Schulmeisters (Lehrer) übertragen. Es gab vier Schulfächer: Lesen, Schreiben, Memorieren (auswendig lernen) und Singen. Der Lehrstoff setzte sich aus Bibel, Katechismus (Glaubensunterweisung) und Kirchenliedern zusammen. In den meist einklassigen Schulen waren die Schüler in drei Altersgruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe wurden die Buchstaben gelernt, in der zweiten Gruppe lernten die Schüler Silben zusammenzusetzen und in der dritten Gruppe fingen sie an zu lesen und zu schreiben.

Die württembergische Kirchenordnung von 1559 verfügte die Einrichtung von Schulen für die männliche Bevölkerung. Doch heißt es darin auch, dass in etlichen württembergischen Orten "nit allein die Knaben, sondern auch die Döchterlein zur Schule" geschickt würden. Erst 1649 wurden auch die Mädchen von der neu eingeführten allgemeinen Schulpflicht erfasst.

Deutsche Schule in Böblingen

Die einzelnen Gemeinden hatten - wie heute - für die Erhaltung der Schulhäuser zu sorgen. Darüber hinaus beteiligten sie sich maßgeblich an der Besoldung des Schulmeisters. Das genaue Gründungsdatum der deutschen Schule in Böblingen ist nicht überliefert. Doch 1583 wurde mit Christoph Stehelin der erste "teutsche Schulmeister" in Böblingen erwähnt. Damit ist der erste indirekte Beleg nachweisbar. Die Lateinschule existierte schon länger.

Vermutlich kam Christoph Stehelin von Nufringen aus direkt nach Böblingen, denn 1580 wird er als Nufringer Schulmeister erwähnt. Wenige Jahre später machte sich die Kommune Gedanken, wie sie Geld sparen konnte und überlegte, für Lateinschule und deutsche Schule einen Schulmeister einzustellen. Stehelin wurde nahe gelegt, sich anderweitig zu bewerben. Doch er blieb und 1587 heißt es über ihn: "Kommt seinem Beruf fleißig nach".

Nicht alle Schulmeister waren so für ihr Amt geeignet. 1601 wollte man den damaligen Lehrer Veit Christoph Beyer wegen Faulheit und schlechter Haushaltsführung zu dem Zeitpunkt entlassen, wenn man eine andere für Schule und Orgel geeignete Person als Ersatz gefunden hätte. Auch an Beyers Ehefrau und ihrem Auftreten wurde Kritik geübt. Schließlich gab Veit Christoph Beyer auf und kündigte 1602 den Schuldienst in Böblingen.

Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) brach auch über Böblingen und seine Schulen die Katastrophe herein. Die Stadt wurde 1634 von den kaiserlichen Truppen heimgesucht und die Bevölkerung, welche 1621 rund 1.300 Personen umfasste, zählte sieben Jahre nach Kriegsende nur noch 678 Einwohner. Jahrelang konnte im Krieg kein Unterricht gehalten werden, weil sich keine Schulmeister fanden.

Ein Schulmeister mit hitzigem Temperament

Nach dieser Katastrophe musste in Böblingen wieder Schulaufbauarbeit geleistet werden. Dabei machte sich der aus dem fränkischen Ansbach stammende Sebastian Dannwolf verdient. Im Alter von 28 Jahren trat er 1652 seinen Dienst an. Sein Arbeitspensum war beachtlich, er hatte 1655 ohne Unterstützung 45 Knaben und 25 Mädchen zu unterrichten. Er galt als fleißig und sein Lebenswandel war untadlig. Jedoch war er selbst für diese Zeit viel zu streng zu seinen Schülern. In seinen ersten Dienstjahren war er "über die Jugend gar zu hitzig", wie es in den Akten heißt. Später zügelte er dann sein Temperament.

Für das Jahr 1680 bekommen wir Einblick in die Einkommensverhältnisse des Schulmeisters. Dannwolf, der noch immer im Schuldienst stand, bekam für seine Arbeit von der Stadt 22 Gulden und vom Heiligen (für die Ortskirche bestimmtes kommunales Sondervermögen) vier Gulden. Für das Orgelspiel in der Kirche zahlte die Stadt nochmals 20 Gulden. Dazu kamen sieben Scheffel Dinkel, drei Scheffel Hafer von der Stadt und vom Heiligen neun Scheffel Dinkel und zwei Scheffel Hafer. Das Scheffel, ein Hohlmaß, betrug damals rund 177 Liter. Schließlich erhielt er noch Brennholz für die Schulbehausung, konnte ein Stück im Zwinger als ein "Würzgärtlein" sowie ein weiteres Gartengrundstück bewirtschaften und bekam von den Eltern für jedes Schulkind fünf Schilling (60 Pfennig) oder elf Kreuzer. Von diesem Einkommen musste er dann seine zwölfköpfige Familie ernähren.

Die Schülerzahlen sollten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach dem großen Einbruch durch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges nach oben entwickeln. Hatte Schulmeister Dannwolf 1645 bei einer Bevölkerungszahl von 678 Einwohnern 70 Schüler gehabt, so stieg die Schülerzahl bis 1680 auf 87 an bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 925. Im Jahr 1692 unterrichtete Dannwolfs Nachfolger Philipp Jakob Rauch schon 116 Schüler (bei 940 Einwohnern). Trotz aller Belastung leistete Rauch hervorragende Arbeit und wurde von den Böblingern sehr geschätzt. Er galt als ein "herrlicher Schreiber und Rechner" und guter Musiker.

Die Sommerschule

Hatte man bisher nur im Winter Schule (Winterschule) gehalten - also in einer Zeit, in der die Kinder weniger als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft gebraucht wurden - wurde während der Amtszeit Dannwolfs, sicher zum Unwillen der Eltern, auch im Sommer Unterricht erteilt (Sommerschule). Dieser lief zunächst nicht gut, so besuchten 1684 nur 66 Kinder die Sommerschule, während es im Winter 95 waren. Bemerkenswerterweise waren in der Sommerschule von 1684 die Mädchen (38) gegenüber den Knaben (28) in der Mehrheit. Vermutlich waren die Knaben die wichtigeren Hilfskräfte in der Landwirtschaft.

Die Schule war in einem Gebäude untergebracht, das im Bereich zwischen der Stadtkirche, dem damaligen Schloss und den heutigen Gebäuden Marktstraße 41-43 lag. Schon im Spätmittelalter (1480) befand sich in diesem Haus die Dienstwohnung des Mesners. Es gehörte damals der Marien- und Katharinenpfründe und war somit kirchliches Vermögen. Nach der Reformation ging das Gebäude in den Besitz des Heiligen über. Weil der Schulmeister dem Pfarrer unterstellt war und in der Regel auch als Mesner arbeitete, brachte man die deutsche Schule dort unter. Unmittelbar daneben befand sich die Lateinschule.

Über die spätere Geschichte der Böblinger Volksschule wird Stadtarchivar Dr. Christoph Florian in weiteren Beiträgen in der Rubrik "EinBlick in die Stadtgeschichte" im Amtsblatt berichten.

Von Maientagsfreuden und einem lebensgefährlichen Keller

Die Mädchenschule am Marktplatz

Nach der Katastrophe im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) hatte sich die Deutsche Schule in Böblingen im Laufe des 18. Jahrhundert erholt. Hatten die Schülerzahlen 1655 insgesamt 45 Knaben und 25 Mädchen umfasst, wurden im Jahr 1702 bei 1.005 Einwohnern 118 Winterschüler und 79 Sommerschüler gezählt. 1726 waren es dann schon 138 Winter- und ebenso viele Sommerschüler. Die Schule hatte in der Bevölkerung offenbar an Akzeptanz gewonnen, so dass die Eltern nun auch im Sommer auf die Arbeitskraft ihrer Kinder in der Landwirtschaft und im Haushalt verzichteten und sie zum Unterricht schickten.

Ein Schulmeister mit „feinen Qualitäten“

Die Schulmeister (Lehrer) leisteten auch gute Arbeit. Über Johann Leonhard Binder aus Bönnigheim, seit 1730 Schulmeister in Böblingen, heißt es im „Testimonium“ (Zeugnis) ein Jahr darauf: „Ist von feinen Qualitäten im Rechnen, Schreiben und Choralgesang, führet sich auch noch zu Zeiten in officio (Amt) und Vita (Leben) so auf, daß man zufrieden,…“

Auch sein Nachfolger, der aus Fellbach stammende Johann Georg Auberlen (seit 1735) war ein guter Schulmeister, was jedoch Differenzen mit dem Arbeitgeber nicht ausschloss. Denn 1744 wollte er die armen Schüler nicht mehr kostenlos unterrichten. Die Stadt wiederum wollte ihm keine Entschädigung dafür zahlen, da er ja bei Dienstantritt die Verpflichtung mit übernommen hatte, von den armen Kindern kein Schulgeld zu nehmen. Andererseits galt er als fähiger Lehrer und 1738 bemerkten die Visitatoren (Mitglieder der Überprüfungskommission) über ihn: „Ist geschickt, sehr fleißig,…“.

Bei Johann Georg Auberlens Nachfolger war nicht alles lobenswert, denn sein Sohn und Nachfolger Johann Jacob (seit 1758) war zugleich Schulmeister und „Oekonom“ (Landwirt). In letztere Tätigkeit investierte er soviel Zeit, dass er „sich gar zu oft aus der Schule absentiere (entferne)“, wie 1768 beklagt wurde.

Keine Erlösung für den Schulmeister

Den gewünschten Aufstieg zum Lehrer (Präzeptor) in der Lateinschule (Vorgänger des Gymnasiums) hätte er möglicherweise schaffen können, wenn er „in Amt und Schulzucht mehreren Eifer und in Vita (Leben) mehr Vorsicht bewiesen“ hätte. Obgleich er studiert hatte und für sein Amt eigentlich überqualifiziert war, wurde es nichts mit der gewünschten „Erlösung vom deutschen zum lateinischen Schulamt.“ Der Unterschied zwischen Lateinschule und Deutscher Schule war sehr groß, die Schultypen bauten nicht aufeinander auf, sondern existierten nebeneinander her. Johann Jacob blieb Deutscher Schulmeister, bis er 1803 im Alter von 76 Jahren aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand ging. Als Zeichen der Wertschätzung zahlte man ihm bis zu seinem Tod 1810 das Gehalt weiter.

Ein Provisor musste her

Die Schulmeisterstelle in Böblingen blieb allerdings in der Familie, denn Auberlens Nachfolger als Schulmeister wurde der Provisor (Hilfslehrer) Johann Jakob Fehrle, der zugleich Schwiegersohn seines Vorgängers war. Fehrle setzte die Böblinger Schulmeistertradition der Familie dann bis 1817 fort.

Fehrle war nicht der erste Provisor gewesen. Angesichts der schon oben erwähnten steigenden Schülerzahlen sah die Stadt Böblingen schon zu Beginn des 18. Jahrhundert ein, dass die Einstellung eines Provisors notwendig war, der den Schulmeister unterstützen sollte. 1706 wurde der aus Schmiden stammende, 22 Jahre alte Johannes Zais in dieses Amt eingestellt. Die Schülerzahlen stiegen weiter an, so dass 1784 eine dritte Lehrerstelle eingerichtet wurde. Damit gab es jetzt einen Knabenschulmeister, einen Mädchenschulmeister sowie einen Provisor, der die Anfänger unterrichtete. Als der Schulbetrieb mit den drei Lehrern und über 200 Schülern dann 1789 überprüft wurde, war das Ergebnis sehr gut.

Mehr als nur Lernen

Doch auch in früheren Zeiten wurde an der Schule nicht bloß unterrichtet und gelernt, schon damals wusste man, dass ein Ausflug das Schulklima verbessert. Dieser wurde am Maientag unternommen. Das Wort "Maien" hat dabei nicht direkt etwas mit dem Monat Mai zu tun, sondern ist auf einen alten Begriff für grüne Baumzweige zurückzuführen. Sie dienten bei Maienfesten als Schmuck.

Lehrer und Schüler ließen vielerorts die muffige Schulstube verwaist zurück und zogen ins Grüne, veranstalteten Spiele und ließen es sich bei Essen und Trinken gut gehen. Das ließen sich wiederum viele Eltern nicht entgehen und gingen gleich mit. Es ging dann zuweilen recht lustig zu. Offenbar zu lustig, denn am 8. Oktober 1757 erließ die württembergische Regierung eine Verordnung, die das Schülerfest ganz abschaffen oder zumindest einschränken sollte.

„Ueppigkeit“ und „suendliches Wesen“

Liest man die Verordnung durch, dann werden deren Gründe bzw. Absichten deutlich. Zum einen ist von „Ueppigkeit“ die Rede. Die Obrigkeit wollte verhindern, dass sich die Untertanen durch solche Feiern finanziell verausgabten und deswegen weniger Steuern und Abgaben leisten konnten. Dann wird „suendliches Wesen“ genannt. Man fürchtete, dass bei den ausgelassenen Feiern die öffentliche Moral unter die Räder kam. Der Erlass erwähnt auch, was die Schülerinnen und Schüler am Maientag eigentlich machten. Die Obrigkeit ärgerte nämlich „sonderlich das Tanzen der Kinder, auch die thoerichten Aufzuege derselben“. Die Kinder verkleideten sich also oder kleideten sich zumindest anders als im Alltag.

Der Erlass hatte in Böblingen offenbar Erfolg. Denn 1760 wurde vermeldet, dass „der Maientag seit etlichen Jahren nicht mehr gehalten wurde.“

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts entpuppte sich das Schulhaus als Problem, es war nämlich marode. Schon Johann Jacob Auberlen hatte sich 1760 beschwert, dass es sowohl in seinem Haus als auch seinem Keller „lebensgefährlich“ sei. Die Situation besserte sich nicht und es war die Rede davon, dass die Wohnung des Schulmeisters „ziemlich schlecht conditioniert (beschaffen)“ sei. Die Klassenräume wären „…nicht nur viel zu eng, sondern auch sehr ungesund, finster und elend.“ Schließlich wurde 1783 ein benachbartes Haus aufgekauft, in dem die Mädchen unterrichtet werden sollten. Seitdem verteilte sich die Deutsche Schule auf zwei Gebäude.

Die Schule im 19. Jahrhundert

Der Text orientiert sich am Beitrag von Sabine Holtz über die Böblinger Schulgeschichte in der stadtgeschichtlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 2003

Neubau der Schule

Im Zusammenhang mit der Vergrößerung Württembergs (1803 bis 1805) in der napoleonischen Zeit wurden auch Veränderungen im Schulwesen notwendig, um auch auf diesem Gebiet Altwürttemberg und die neu hinzugekommenen Territorien anzugleichen. Dazu sollte der Unterricht modernisiert und der Lehrerberuf professionalisiert werden.

Schule und Konfession

Zunächst orientierte sich die Schulreformpolitik an den Konfessionsgrenzen. Der Gegenstand der Reformen war die „Elementarschule“, wie die Deutsche Schule mittlerweile hieß. Dabei wurde 1810 für die evangelischen Elementarschulen die Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr festgelegt. Wer die Volksschule beendet hatte, musste bis zum 18. Lebensjahr die Sonntagsschule besuchen.

Die reformierte Elementarschule deckte wie die bisherige Deutsche Schule das heutige Spektrum von Grundschule und weiterführenden Schulen (Realschule, Hauptschule) ab. Ebenso übte wie bisher die (im Fall von Böblingen) evangelische Kirchenbehörde die örtliche Schulaufsicht aus. Erst 1836 erhielt diese Schulform die Bezeichnung "Volksschule".

Die Lehrerausbildung, bisher ein reiner Ausbildungsberuf, wurde professionalisiert. Für die Lehrer der Elementarschulen wurde mit dem Lehrerseminar in Esslingen (1811) „eine zentrale Ausbildungsstätte“ eingerichtet. Der Pädagoge als Ausbildungsberuf gehörte jetzt der Vergangenheit an. Die Volksschullehrer wurden zu einem Berufsstand mit Ansehen.

Steigende Schülerzahlen

Da sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Bevölkerungszahlen in Böblingen mehr als verdoppelten, stiegen auch die Schülerzahlen stark an. So besuchten im Jahr 1822 163 Knaben und 201 Mädchen, also insgesamt 364 Schüler die Elementarschule. Nur neun Jahre später unterrichteten zwei Schulmeister und zwei Provisoren (Hilfslehrer) zusammen 523 Schüler. Im Jahr 1855 gab es dann schon 547 Kinder, die von mittlerweile sechs Lehrern unterrichtet wurden. Dabei besuchten viel mehr Mädchen (332) als Jungen (224) die Schule. Gab es bis 1870 bei den Schülerzahlen keine große Veränderungen (565 Kinder), folgten dann Phasen mit starkem Anstieg. So wurden nur sieben Jahre später (1877) 700 Kinder und 1886 sogar über 800 Kinder unterrichet. Danach folgte ein leichter Rückgang auf 738 Kinder (1892).

Die Schüler der Böblinger Volksschule waren damals in die Knabenschule und Mädchenschule eingeteilt. Mit der Schülerzahl wuchs auch die Zahl der Lehrer. 1877 gab es acht Lehrer, 1880 kam ein weiterer dazu. Die Klassengrößen waren entsprechend groß. Sie betrug im Jahr 1880 zwischen 74 und 128 Kinder. Lediglich die oberste Mädchenklasse hatte damals „nur“ 54 Schülerinnen.

Unartige Schüler

Trotz der großen Belastung der Lehrer wurde der Unterricht von den Vorgesetzten positiv beurteilt. So wurden 1822 die Klassen der Knabenschule als gut und die der Mädchenklassen sogar als sehr gut beurteilt. Probleme gab es offenbar immer wieder bei den Anfängern, die von den Hilfslehrern unterrichtet wurden. 1845 wurde moniert, dass der Lehrer aus „lauter Güte und Freundlichkeit“ seine Schüler machen ließ, was sie wollten. Auf einer Schulsitzung in späterer Zeit wurde kritisiert, "daß Einzelne stets den Griffel (Stift), andere beide Fäuste in den Mund stecken, andere mit beiden Armen den Kopf halten, andere den Kopf auf das Subsellium (Bank) legen, andere miteinander sprechen und Unarten treiben.“ Interessanterweise wurde gerade dieser Lehrer von vielen Eltern wegen seiner „übergroßen Nachsicht“ - so sein Vorgesetzter - als ein „besserer Lehrer gerühmt.“

Der Unterricht fand vormittags (von Montag bis Samstag) für die kleineren Kinder von 7.00 bis 9.00 Uhr und für die älteren Kinder von 9.00 bis 11.00 Uhr statt. Die größeren Kinder mussten erst später in die Schule, allerdings nicht damit sie länger schlafen konnten, sondern damit sie die Möglichkeit hatten, im Haushalt oder in der Landwirtschaft zu helfen. Die wöchentliche Unterrichtszeit nahm im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer mehr zu, so dass sie 1892 in den unteren Klassen 22 und in den oberen Klassen 34 Stunden betrug. Die Ferien dauerten insgesamt sechs Wochen und richteten sich nach den Erfordernissen der Landwirtschaft - sechs Tage Ferien gab es zur Zeit der Heuernte, drei Wochen in der Haupterntezeit sowie zwei Wochen im Herbst.

Der Unterrichtsstoff entwickelte sich immer weiter. Die mit der Religion zusammenhängenden Fächer verloren ihre dominante Stellung. 1822 standen auf dem Stundenplan Lesen, Orthographie (Rechtschreibung), Schreibunterricht, deutscher Sprachunterricht, Verstandesübungen, Rechnen, Religions- und Sittenunterricht, Singen sowie die Fächer, die heute durch Gemeinschaftskunde, Geschichte und naturwissenschaftliche Fächer abgedeckt werden (Naturlehre, Erdbeschreibung).

Im „baufälligen Zustand“

Weil die Schülerzahlen stiegen, reichten die bisherigen Klassenräume nicht mehr aus. Daher kaufte die Stadt im Jahr 1818 für 10.800 Gulden die beiden Schlossgebäude und widmete sie zu Schulen um. Allerdings gab es nach einiger Zeit Probleme und 1833 traten die ersten Beschwerden über den „baufälligen Zustand“ des zweiten (nördlichen) Schulgebäudes auf. 1838 wurde über den Bau eines neuen Schulgebäudes verhandelt, wobei während des Baus die Schüler im nahe gelegenen Rathaus (gegenüber dem heutigen Fleischermuseum) unterrichtet werden sollte. Das nördliche Schulgebäude wurde 1840 abgerissen und 1841 neu erbaut. Dies kostete die Gemeinde dann 13.000 Gulden. Die Zimmer „waren nun hell und hoch", viele konnten beheizt werden. Nach damaliger Anschauung galten sie als „gesund.“

Das neue Gebäude und der alte Nordtrakt des Schlosses wurden zum Schulzentrum. Im neuen Gebäude fanden die Lateinschule (Gymnasium), die Realschule (Gymnasialzweig mit kaufmännischem und gewerblichem Profil), die Elementarschule (jetzt die untere Klasse der Lateinschule) und die Mädchenschule (der Volksschule) ihre Heimstätte. Das erhalten gebliebene südliche Schlossgebäude nahm den Präzeptor (Gymnasiallehrer), den Reallehrer, einen Lehrer der Knabenschule (der Volksschule) und die Knabenschule selbst auf.