Der lange Weg zum Badevergnügen: Das Böblinger Freibad am Hexenbuckel und seine Geschichte

Ursprünglich gingen die Böblinger ihren Badefreuden am Oberen See nach. Dort gab es an der Einmündung des Murkenbachs in den See ein Badehaus. Das Wasser war dort tief genug, um schwimmen zu können. Die Probleme begannen 1892, als etwas oberhalb am Murkenbach das Wasserwerk eröffnet wurde. Jetzt floss das Wasser des Bachs nicht mehr so reichlich. Der Obere See war nicht mehr als Badesee geeignet und Böblingen hatte ein Problem.

Das Schwimm-/Freibadproblem wurde zum Dauerthema der Kommunalpolitik

Planungsentwurf
Freibad Stuttgarter Straße 1938

Jeder Bürgermeister musste sich seitdem mit dem Thema auseinandersetzen. Zahlreiche Möglichkeiten wurden geprüft und ausprobiert. Immer wieder wurden neue Standorte geprüft und wieder verworfen.

Um 1910/1911 erwog der Gemeinderat, entweder den Ganssee oder die Berner Seen an der Schönaicher Straße (letztere dienten der Eisherstellung) zu einem Freibad umzuwandeln. Auch der Untere See geriet damals ins Blickfeld. Doch alle drei Optionen wurden verworfen, da zu wenig Quellwasser vorhanden und Leitungswasser zu knapp war. Der 1919 erwogene Vorschlag, im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Gaswerk ein Volksbad zu errichten, wurde durch die Inflation (bis 1923) vereitelt. Mit dem Anschluss Böblingens an die Ammertal-Schönbuchgruppe 1926 bot sich die die Möglichkeit, ein durch Leitungswasser gespeistes Schwimmbad einzurichten. Als Standort kam die Umgebung des Wasserturms in Frage.

Andere Überlegungen (um 1932) gingen dahin, den alten Standort am Oberen See zu reaktivieren und im See selbst ein Freibad zu errichten. Eine weitere Überlegung betraf das Areal bei der damaligen Rohrmühle (heute Bundespolizeidirektion). Beide Projekte wurden verworfen, zum einen weil der Obere See in den Sommermonaten fast kein Frischwasser erhielt und zum anderen weil die Kosten für den Erwerb eines Grundstücks bei der Rohrmühle und die Baukosten mit 100.000 Reichsmark zu hoch waren.

Schließlich versuchte man es doch am Oberen See

Entwurf des Sportgebäudes

1934 hob der Reichsarbeitsdienst eine Grube für ein Bad aus, das sein Wasser durch eine kleine Quelle, dem Grundwasser einer Lehmgrube sowie aus einem nahgelegenen Leitungsstrang erhalten sollte. Mit 32.000 Reichsmark Kosten war das Projekt günstig. Doch die trotz Sicherung einstürzenden Wände begruben im gleichen Jahr im wahrsten Sinne des Wortes das Vorhaben.

Ab etwa 1936 versuchte man zur Abwechslung in Zusammenarbeit mit Sindelfingen eine Lösung der Schwimmbadfrage zu erreichen. Als Standort wurde ein Gelände auf Sindelfinger Gemarkung am Goldbach unterhalb des Goldbergs anvisiert. Die Kosten hätten 120.000 Reichsmark betragen. Favorisiert wurde dieses Vorhaben von Bürgermeister Georg Kraut. Der Ortsgruppenleiter der NSDAP Karl Haas, der zugleich Beigeordneter war, unterstützte ihn zunächst durch „Bearbeitung“ seiner Sindelfinger Parteigenossen, welche wiederum ihre zögernde Stadtverwaltung überzeugten. Doch dann kam es zu einer Wende. Auf einmal wollte die Böblinger Ortsgruppe nicht mehr. Die NSDAP und vor allem die beiden Beigeordneten Haas und Ruof zwangen Kraut, ein neues Konzept zu übernehmen.

Das von der Böblinger Ortsgruppe der NSDAP favorisierte Konzept sah einen Standort an der Stuttgarter Straße vor. Die dort vorhandenen Sportanlagen gehörten dem Turnverein Böblingen (später VfL) und sollten abgestimmt auf das Bad vergrößert werden. Das Gelände war ursprünglich Eigentum der Freien Turnerschaft Böblingen e.V. und wurde nach deren zwangsweiser Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933 dem Turnverein Böblingen übertragen. Sommerliche Sportwettkämpfe sollten in der Sport- und Badeanlage gleichzeitig stattfinden. Die Kosten des Ganzen sollten ca. 500.000 DM betragen.

Die Argumente für die Standortwahl waren die Lage zwischen der Panzerkaserne und der Fliegerkaserne, die gute Verkehrserschließung durch die Stuttgarter Straße, welche Badegäste aus Stuttgart anlocken konnte sowie das Vorhandensein von Sportanlagen. Noch 1938 beschloss man, sich am Beispiel des Göppinger Schwimmbads zu orientieren und beauftragte den Stuttgarter Architekt Werner Gabriel mit der Planung.

Für Bürgermeister Kraut war der Schwimmbadstreit mit der NSDAP einer der 13 Punkte, die „mit einer geordneten Amtsführung“ unvereinbar waren. Zermürbt durch die ständigen Auseinandersetzungen mit der örtlichen Parteileitung trat er 1937 zurück.

Trotz Entschluss ging die Standortdiskussion munter weiter

Der Obere See

Das Luftkreiskommando 5 München (Luftwaffe) favorisierte den Standort am Goldbach, der verhältnismäßig nahe der Luftwaffenkaserne lag und lockte mit einer Subvention, indem es eine zehn Jahren vorauszuzahlende Benutzungsgebühr in Aussicht stellte.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte die Ausführung des Vorhabens. Das Landesarbeitsamt Südwestdeutschland gab in Hinblick auf die schwierige Rohstofflage, allein für den Tiefbau wurden 12,9 Tonnen Baueisen benötigt, das Vorhaben nicht frei.

Unterdessen stillten die Böblinger auf unterschiedliche Weise ihr Badebedürfnis. Seit 1930 gab es beim heutigen Waldheim ein kleines Badebecken (8 mal 16 Meter), das der Böblinger Natur- und Luftbadeverein 1930 erbaut hatte. Die Böblinger Jugend hatte sich selbst beholfen und um 1933 eine Lehmgrube der Dampfziegelei, auch Ziegeleisee genannt (heute Bereich Mönchweg), in Beschlag genommen. 1939 wurde allerdings der Ziegeleisee gesperrt. Als Ersatz diente ab 1940 vermutlich der mittlere der Berner Eisseen, der zu einer „behelfsmäßigen Badegelegenheit“ ausgebaut wurde. Allerdings handelte es sich mehr um ein Nichtschwimmerbad, denn die Eisseen waren von geringer Tiefe. Weil viele Böblinger mittlerweile auch ein Fahrrad hatten, wurden nun öfters die modernen Bäder in der Umgebung (Herrenberg, Hildrizhausen, Vaihingen) besucht.

Ein Rutengänger schaltet sich ein

Der Obere See spielte eine wichtige
Rolle bei der Suche nach einem Freibad.

Nachdem die Realisierung des Freibads vorerst zu den Akten gelegt wurde, meldete sich ein Rutengänger namens Friedrich Breitling und bot seine Dienste an. Er schlug das Maurener Täle (bei Holzgerlingen) vor, es gäbe dort „Wald Wiesen Ruhe ohne Staub“ und - offenbar hatte er seine Kunst schon angewandt - genügend Wasser. Die Böblinger Stadtverwaltung lehnte dankend ab.

Nach 15 Jahren Verzögerung wurde dann in den Jahren 1952/1953 das Freibad erbaut. Betreuender Architekt war Werner Gabriel, der nun endlich sein Projekt realisieren konnte. Die Kosten in Höhe von rund 450.000 DM wurden zu einem Viertel durch Spenden (110.000 DM) gedeckt. Am 1. August 1953 übergab Bürgermeister Wolfgang Brumme vom Fünf-Meter-Brett aus das lang ersehnte Bad seiner Bestimmung.

Das Bad und seine reizvolle Lage fanden allenthalben Anklang. Daher sollen die letzten Worte dieses Artikel dem Heimatdichter Friedrich E. Vogt gehören. Er schrieb: „Was lange währt, wird endlich wahr! Genau so gings auch hier, ihr Leute: Was wir jahrzehntelang erhofft, in vollem Glanz strahlt es heute: Ein Freibad, herrlich groß und schön, gefüllt mit klarem Himmelstau: Drin spiegelt sich der Sonne Strahl, der Wolken Glanz, des Äthers Blau..“